DWT- Geprägt von Frauen Teil 07
Vorwort der Autorin:
1967 war nicht nur die „gleichgeschlechtliche Liebe” durch § 175 verboten, es gab auch den § 180, der eine „geförderten Unzucht” unter Strafe stellte. Das betraf vor allem Personen unter 21 Jahren, und an zweiter Stelle unverheiratete Paare.
Teil 7 – Samstagnacht und Sonntag bei Karin
Autorin: Marina Abaton
Renate steht bei den Servicekräften und spricht mit ihnen, dann klatscht sie dreimal in die Hände und ruft „Das Buffet ist eröffnet”. Ich kenne die beiden Personen hinter dem Buffet nicht, und wundere mich kaum noch darüber, wie selbstbewusst ich meine Speisenwünsche äußern kann. Sie blicken zwar ein etwas merkwürdig als sie meine Stimme hören, aber das interessiert mich überhaupt nicht! Wie ich mich heute fühle? Unglaublich frei und gelöst!
Wir lassen es uns schmecken aber immer häufiger hört man statt „Lecker”, die Worte „Ich bin satt für heute” und Gudrun fragt „Du Renate, von wem hast du die Gulaschsuppe liefern lassen, da ist ja unheimlich viel drin und sie schmeckt richtig lecker”. „Nicht liefern lassen, die Köchin sitzt links neben dir”. Gudrun schaut mich mit offenem Mund an und sagt dann fassungslos „Kochen kannst du auch?” „Oh ja” hört man aus der Runde „Das weißt du noch gar nicht, Marina betreut zuhause sogar ihre Geschwister und führt auch den Haushalt”. Ich werde verlegen und Gudrun sitzt schon wieder mit offenem Mund neben mir.
Die Servicekräfte beginnen mit dem Abräumen und ich verziehe mich an die Terrassenbrüstung. Etwas später steht Karin an meiner Seite „Marina, du hast vor uns allen dein Leben offenbart, darf ich das auch Gudrun und Manuela erzählen, oder möchtest du das selbst machen?” „Das kannst du gern übernehmen, die beiden sind ja auch Freundinnen” antworte ich sofort. Karin schaut mir in die Augen „Ist alles OK Marina, geht’s dir gut?” Ich drehe mich seitlich zu ihr um flüstere „Gut ist ein schwaches Wort Karin, ich könnte die ganze Welt umarmen”.
Sie legt ihre Hand auf meinen Arm und sagt nur „Schön”, und wir stehen schweigend nebeneinander bis Birgit und Gudrun sich zu uns gesellen. Sie fragen Karin, ob sie im Wohnzimmer ein wenig umräumen können, um eine Tanzfläche zu schaffen.
„Ohja,” ruft Karin laut „die Party kann beginnen, lasst uns tanzen”. Schnell sind die Möbel verschoben, die Lautstärke der Musik erhöht und Gudrun, Renate und Birgit tanzen schon, während sie noch den Tisch aus dem Weg schieben. Dann tanzen alle, auch ich. Die Stimmung steigt. Bei „Lucy in the sky with Diamonds” springt Renate sogar auf den Tisch und tanzt wie ein Go-Go-Girl.
Plötzlich ertönen von der Bandmaschine langsamere Rhythmen, Massachusetts von den Bee Gees, und Gudrun umfasst meine Taille bei den Worten, „San Franzisko” des Songs, und tanzt mit mir ganz eng zusammen. Dabei schaut sie mir in die Augen, drückt ihren Schoß an mich und bewegt ihre rechte Hand ganz langsam über meine Hüfte, bis sie am Oberschenkel die Strapse spürt. Sie schließt die Augen, legt ihren Kopf an meine Brust und streicht über zwei weitere Strapshalter zu meinem Po „Ich habe beim Tanzen noch nie Strumpfhalter gefühlt” sie kommt näher zu meinem Ohr und fragt leise „möchtest du so etwas bei mir auch fühlen?” Ich sehe sie wortlos an und nicke.
Dann folgt etwas klassisches „Der letzte Walzer” von Peter Alexander, Gudrun lässt mich los und ergreift meine beide Hände zum Walzertanzen. „Du kannst doch Walzer tanzen” fragt Gudrun mich. „Ja, aber nicht in diesen offenen Pantoletten, warte, ich ziehe mir eben meine leichten schwarzen Slipper an”.
Als ich wieder zurück bin ruft Gudrun laut „Bitte noch mal von vorn” und dann spüre ich, dass sie mich führt, nicht ich sie, aber ich lasse mich darauf konya travesti ein, weil ihre Tanzbewegungen anders sind, harmonischer, mit Pausen und raumgreifenden Schrittfolgen. Nach kurzer Zeit sehe ich, dass die anderen um uns herumstehen. Der Tanz berührt meine Seele, geht mir ins Blut und Gudrun merkt das schnell — dann ertönt der letzte Ton und die Mädels klatschen wie wild.
Es folgt „Baby come back” von den Equals, wir zwei machen jetzt eine Tanzpause und setzen uns an den Tisch. „Ich will dir mal etwas erzählen Marina. Ich hatte einen Tanzpartner, mit dem ich Show- und Preistänze gemacht habe, aber der ist nach Australien gegangen und ich in die USA.
Eben habe ich gemerkt, wie sehr mir das Tanzen fehlt, und ich möchte gern wieder tanzen. Ich glaube das du Musik im Blut hast und leicht lernen kannst. Was meinst du, wollen wir das mal versuchen?”
„Ja Gudrun, sofort, auch ich liebe Musik und das Tanzen” kann ich gerade noch antworten, da sie zieht mich schon wieder auf die Tanzfläche, es läuft „San Franzisco” von Scott Mc Kenzie.
Nach dem „Green, green Gras of Home” mit Tom Jones muss Gudrun vor dem WC in der Schlange stehen, und ich werde von hinten umarmt, es ist Karin „Das sah so faszinierend aus, traumhaft wie ihr zwei getanzt habt”. Ich sehe Karin an und sage „Ja Karin, aber ich habe immer noch furchtbare Angst, dass ich irgendwann aufwache und merke, dass alles Erlebte nur ein Traum war”.
Jetzt nimmt sie mich wie eine echte Mutter in die Arme „Marina, das ist kein Traum, du bist bei uns, bei wirklichen, echten, realen Freundinnen”. So stehen wir eine ganze Zeit zusammen, aber bei „Una festa sui prato” von Adriano Celentano ist Gudrun wieder bei mir, und will weitertanzen.
Dann ist es ist 0:00 Uhr, wir umringen Renate, stoßen mit einem Glas Sekt auf unsere Freundin an und wünschen ihr viel Glück. Sie sagt „Ich danke euch allen, denn ihr habt mir einen wunderbaren Tag bereitet, Danke”.
Anschließend feiern und tanzen wir weiter, fast bis zur Erschöpfung.
Ist es spät, oder früh? Wir sitzen alle auf der Sitzgruppe, sind noch erhitzt vom Tanzen, da zieht Gudrun mich nach draußen auf die Terrasse. „Marina, schau mir in die Augen und sage mir bitte die Wahrheit. Soll ich mir ein Taxi rufen oder kann ich mit meiner neuen Freundin Marina hier auf der Liege gemeinsam schlafen. Hmm, oder muss ich doch damit rechnen, dass plötzlich, der mir unbekannte Armin, neben mir liegt?”
Einen Moment bin ich sprachlos, aber dann erwidere ich „Gudrun, ich verspreche dir, dass der ominöse Armin nie und nirgends in dieser Wohnung existiert”. Dann gehen wir wieder zu den anderen, wo Gudrun gleich fragt „Karin kann ich auch heute Nacht hierbleiben, ich würde dann hier bei Marina schlafen”.
Urplötzlich wird es still, Karin sieht abwechselnd Gudrun und mich an und nickt dann nur. Aber Birgit meldet sich kurze Zeit später zu Wort „Hört gut zu ihr beide, „Das Berühren der Figüren mit den Pfoten ist verboten”. Wir lachen alle, und dieser Abend klingt langsam aus.
Die Mädels machen sich schon nachtfein, da bringt mir Karin meine frische Miederhose, Nachthemd und Morgenmantel ins Wohnzimmer und sagt flüsternd „Denkst du bitte an die Einlage”. Ich nicke, und als das Bad frei wird, gehe ich mich auch umziehen.
Wieder im Wohnzimmer liegt da schon Gudrun, sie sieht mich an und sagt „Ich muss glauben, was ich da sehe, gute Nacht Marina, schlaf gut”. Ich antworte „Schlaf du auch gut Gudrun, ich wünsche dir eine schöne gute Nacht. Dann liegen wir Rücken an Rücken und schlafen schnell ein.
In der Nacht werde ich einmal wach, weil ich eigentlich zum WC müsste. Ich stutze, oh Mensch, Gudrun liegt neben mir. Sie hat sich an meinen Rücken gekuschelt, ihr linkes Bein über mein rechtes gewinkelt und ihre linke Hand liegt an meiner Brust. Den Gang zum WC verkneife ich mir und schlafe überglücklich bald wieder ein.
„Guten Morgen, guten Morgen ihr zwei Kuschelhasen, habt ihr denn sittsam und gut geschlafen? Karin hockt neben der Liege und lacht „Bekomme ich jetzt eine Anzeige wegen Verdachts der Kuppelei oder bewiesener Kuppelei”. Gudrun dreht sich um und erwidert „Nein, aber eine Belobigung für die angenehme Nacht mit einer lieben Freundin” und krault mir dabei durch die Haare.
Karin steht auf und treibt uns an „Der Kaffee ist fertig, Frühstück ist in Arbeit und sieben Mädels wollen in einem Bad duschen und sich schön machen, also hopp hopp, raus aus den Federn. Karin geht wieder in die Küche, Gudrun richtet sich im Bett zum Schneidersitz auf und sagt „Ich kann das merkwürdige Gefühl nicht beschreiben. Ich weiß, du bist ein Mann, verhältst dich aber wie eine Frau und das Kuscheln mit dir wird mir wahrscheinlich fehlen” sprachs, gibt mir noch einen Kuss auf die Stirn und verlässt fluchtartig das Zimmer. Und ich, ich kann nicht nur, nicht denken, sondern explodiere fast vor Glück.
Nein, raus aus dem Bett, auf geht’s in die Küche, wo alle Mädels in Nachtwäsche und Morgenmänteln schon versammelt sind. Frühstück hat auch schon jemand aufgedeckt, es gibt sogar frische Brötchen, die vom Bäcker mit einer Zeitung geliefert wurde.
Heute Morgen sind einige Blicke fragend, das merkt auch Gudrun „Hergehört, denn ich tue Kund” sagt sie „Ich schlafe jederzeit wieder sehr gerne mit unserer Freundin Marina in einem Bett, denn das ist himmlisch. So nun wisst ihr Bescheid!” Ein fröhliches Lachen am Morgen als Abschluss einer aufregenden Nacht und als Beginn eines schönen Sonntags — Herz, was willst du mehr.
Das Frühstück ist lecker und zieht sich lange hin, weil zwischendurch, immer abwechselnd jemand von uns das Bad nutzt, aber dann bin auch ich bereit für den neuen Tag. Auf dem Bett liegt schon ein grauer Rock mit schwarzen Nadelstreifen, weißem Top und einer schwarzen, taillierten Jacke. „Heute durfte ich aussuchen” strahlt Gudrun mich an und geht mit einem Luftküsschen raus, kommt plötzlich zurück und sagt schelmisch „Dazu gehören aber unbedingt wieder Strümpfe” und weg ist sie.
Natürlich ziehe ich die bereitgelegte Kleidung an, habe fast schon aus Gewohnheit auch heute in die Miederhose eine Slipeinlage eingelegt, es ist besser so. Dann gehe auch ich auf die Terrasse, wo schon alle Mädels bei Sekt und Knabbereien sitzen.
Richtig, Renates Geburtstag ist heute, gestern haben wir ja nur reingefeiert. In gelöster Stimmung unterhalten sich alle über Gott und die Welt, einem geplanten gemeinsamen Einkaufsbummel in Hamburg und die bevorstehende Weihnachtszeit.
Und wieder mal klingelt das Telefon, Karin geht ran, unterhält sich fast zehn Minuten und ruft dann Renate zu sich, die danach allein weitertelefoniert.
Karin kommt wieder zu uns und verkündet „Alle kommen zurück nach Hause. Manuela ist am Telefon, die Renate zum Geburtstag gratulieren will, sie hat mir aber auch gleich erzählt, dass sie ihren Vertrag bei der Bayrischen Staatsoper in München gekündigt hat, weil sie wieder nach Hause will und eine neue Anstellung, ab dem ersten Januar in Hamburg hat. Durch ihren Resturlaub sehen wir sie dann schon Mitte Dezember wieder”.
Dann breitet sie sitzend, mir gegenüber, ihre Arme aus und sagt honigsüß „Liebe Marina, du kennst sie noch nicht, aber du wirst sie ganz sicher sehr intensiv kennenlernen. Denn sie ist nicht nur eine begnadete Visagistin, sondern auch ausgebildete Maskenbildnerin — und sie wird garantiert bei dir Hand anlegen wollen”. Rums, mir ist gerade das Herz in die Hose gerutscht.
Ich spüre eine streichelnde Hand auf meinem Bein, es ist Gudrun und sie sagt „Lasse dir keine Angst machen ich bin sicher, dass Manuela aus dir einen Wahnsinns-Typ machen wird, den sie aber jederzeit mit ihrer Kunstfertigkeit in eine weibliche Sexbombe verwandeln kann”. Jetzt fällt mir aber wirklich die Kinnlade runter.
Dann spricht sie weiter „Du Marina, ich kenne dich erst seit gestern, aber es ist so, als wenn es schon viel länger her wäre. Egal. Ich würde dich gern in der nächsten oder übernächsten Woche mal für ein Stündchen abends vom Bahnhof abholen, weil ich dir etwas zeigen will, wäre das OK für dich?” „Natürlich Gudrun, jederzeit gern” antworte ich vollkommen überrascht.
Und es klingelt schon wieder, Karin öffnet und lässt die beiden Servicekräfte wieder in die Küche. Dann kommt sie zu mir „Ich weiß das du heute grillen wolltest, aber das muss wirklich nicht sein, wir machen uns lieber einen schönen Sonntag. Übrigens, die gelbe Brille liegt auf der Anrichte”.
Auch dieser Sonntag ist mit Lachen erfüllt, nach dem Essen machen wir harmlose, aber witzige Ratespielchen, und besprechen die nächsten Wochenenden.
Plötzlich klingelt es schon wieder, Karin öffnet, kommt zurück und übergibt Renate eine Tasche, die gerade gebracht wurde. „Klasse” ruft sie, „jetzt machen wir ein paar schöne Fotos”. Ich staune, sie hat eine Leica Spiegelreflex Kamera in der Hand, und sechs verschiedene Objektive, Blitzaufsatz und weiteres Zubehör in der Tasche. Nachdem mehrere Gruppenfotos „im Kasten” sind, sagt sie „So Marina, jetzt machen wir ein paar schöne Fotos nur von dir, auch Portrait-Aufnahmen. Den Film von dir schicke ich dann nach München zu Manuela, sie wird ihn selbst entwickeln und speziell bearbeiten, um dich und deine Konturen schon mal näher kennenzulernen”.
Ich fasse es nicht, alle Mädels versammeln sich nun hinter der Kamera und wollen „Regie” führen, dann ist auch der zweite 36er Film voll und Renate wechselt beim Einlegen des neuen Films auch das Objektiv für Nahaufnahmen. Bei den nun folgenden Shootings frage ich entrüstet „Machst du Bilder für einen Steckbrief”. Denn ich sitze vor einer Filmleinwand, auf der Birgit gerade ein Lineal senkrecht, und eins waagerecht angebracht hat. Unglaublich, es entstehen außer den verschiedenen Profil- auch Detail-Großaufnahmen meiner Augen- Ohren-Nasen- und Mundpartie. Es ist vollbracht, das war wie „Schwerstarbeit”, nicht wie einfach Fotografieren.
Die Mädels haben dem Sekt inzwischen gut zugesprochen und ich frage mich ernsthaft, wer von ihnen morgen wohl “Blau machen” wird. Ich bin schon seit einiger Zeit stiller geworden, denn es wird Abend und ich muss nach Hause. Nachdem ich mich von allen verabschiedet habe, gehe ich ins Gästezimmer damit ich mich umziehen kann. Ich stehe noch reglos vor dem Schrank, da kommen Karin und Birgit zu mir und nehmen mich in die Arme. Karin streichelt mir über die Haare und sagt ganz leise „Nicht traurig sein, wir sehen uns Freitag ja wieder und glaube mir, die Zukunft wird auch für dich viel schöner”. Dann bin ich allein, ziehe mich um, streichele noch einmal über die schöne Kleidung in dem Schrank — und gehe.
Mir ist innerlich so kalt, dass ich friere, denn die Welt ist hier draußen ist nicht mehr die Meine, sie ist beinahe abweisend. Dann bin ich zuhause und meine Mutter steht vor mir, sieht mich an, gibt mir eine Ohrfeige und sagt „Du riechst wie ein ganzes Freudenhaus, wo warst Du?” Ich bleibe ruhig und antworte „Mama, das Wochenende war anstrengend und ich will jetzt ins Bett”. Alles, was sie hinter mir herruft, will ich nicht mehr wahrnehmen, ich bin im Moment zwar traurig, aber bin ich nicht doch „Der glücklichste Mensch der Welt?!”
Fortsetzung folgt